Städtische Prognosen für Wohnungsbaubedarf müssen überprüft werden
Die Grünen im Rat sehen die Prognosen zum Bedarf an neuen Wohnungen, die dem Bochumer Handlungskonzept Wohnen zugrunde liegen, durch eine aktuelle Studie des arbeitgebernahen Instituts für Wirtschaftsforschung (IW) in Frage gestellt.
Martina Foltys-Banning, Sprecherin der Grünen im Ausschuss für Strukturentwicklung, erklärt dazu: „Die ökologische Belastung durch neuausgewiesene Wohngebiete kann nur hingenommen werden, wenn wirklich Bedarf an neuen Wohnungen existiert. Klar ist, dass man etwa der Nachfrage nach barrierefreien Wohnungen und preisgünstigen Wohnungen für größere Familien nicht allein durch Bestandssanierungen gerecht werden wird. Das kann nur durch Neubau im geförderten Segment gelingen. Es stellt sich aber die Frage, ob der dem Handlungskonzept Wohnen zugrunde gelegte Bedarf von jährlich 800 neuen Wohneinheiten für Bochum wirklich noch in dieser Höhe existiert. Denn das neue Gutachten des IW beruht, im Gegensatz zum Handlungskonzept Wohnen und zu anderen bisher veröffentlichten Studien, auf Zahlen, die den Rückgang der Zuwanderung verstärkt berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund haben wir die Verwaltung mit einer Anfrage gebeten, ihre eigenen Bedarfsprognosen zu überprüfen. Wenn sich herausstellt, dass wir einen sinkenden Bedarf haben, müssen wir die in Rede stehenden Wohnbauflächen auch reduzieren. Das haben wir im letzten Strukturausschuss am 26. Juni bereits deutlich gemacht, als der vom Rat beschlossene halbjährliche Bericht zum Wohnbauflächenprogramm auf der Tagesordnung stand. Wir werden auch aufmerksam verfolgen, wie sich die reale Situation in Bochum im nächsten Wohnungsmarktbarometer darstellt.“
Hintergrund:
Das arbeitgebernahe Institut für
Wirtschaftsforschung (IW) hat in einem Mitte Juli veröffentlichten Gutachten die
Entwicklung der Bedarfe am Wohnungsmarkt in verschiedenen deutschen Städten
errechnet. Für Bochum hätte demnach von 2016 bis 2020 ein Bedarf von 372 neu zu
erstellenden Wohneinheiten bestanden. Fertiggestellt seien worden 2016 bis 2018
tatsächlich 476 Wohneinheiten. Demnach seien Wohnungen weit über dem Bedarf erstellt
worden.
Das IW geht bei seinen Berechnungen von kaufkrafthinterlegten, sogenannten
effektiven Bedarfen aus. Unabhängig davon dürfte zukünftig ein Bedarf nach
Wohnraum existieren, der allerdings von vielen Betroffenen nicht bezahlt werden
kann. Dies könnten dann insbesondere Wohnungen für Familien mit mehreren
Kindern sein. Außerdem dürfte nach Ansicht der Grünen der Bedarf an
barrierefreien Wohnungen eine wichtige Rolle. Dieser kann in Bochum in den
allermeisten Fällen nicht im sanierten Bestand gedeckt werden. Hier muss im
geförderten Wohnungssegment gehandelt werden. Denn als frei finanzierte
Wohnungen gibt es kontinuierlich ein kleines Angebot, welches teuer ist und
trotzdem sehr stark nachgefragt ist.
Noch vor 2,5 Jahren hatte das IW in seinem Gutachten einen Bedarf von 836 zusätzlichen Wohnungen für Bochum errechnet. Man hatte damals aufgrund der hohen Flüchtlingszahlen Annahmen über den weiteren Zuzug von Flüchtlingen getroffen und daraus eine Zuzugszahl für Bochum nach dem Königssteiner Schlüssel errechnet. In der Entwicklung hat sich allerdings gezeigt, dass seitdem nur noch 17% der Zuwanderer nach Deutschland Geflüchtete sind. Tatsächlich hat die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung in Europa und die bisher gute konjunkturelle Situation in Deutschland zu einer steigenden Arbeitsmigration aus anderen europäischen Ländern geführt.
Bereits 2018 wurden in Bochum fast 1400 weniger Geburten als Sterbefälle registriert. Für 2019 ist nach den bis Mai vorliegenden Zahlen eine ähnliche Entwicklung zu erwarten. Dies kann der Wanderungssaldo 2018 mit einem positiven Saldo von ca. 850 nicht ausgleichen. Wenn sich die Tendenz der Wanderungen zu Beginn 2019 fortsetzt (bis Juni ein positiver Wanderungssaldo von 685), könnte die Bevölkerungszahl in 2019 konstant bleiben.
Das IW geht davon aus, dass es keinen demografiebedingten Mehrbedarf an Wohnungen in Bochum gibt. Auch bei dem sogenannten „Nachholbedarf von Wohnfläche pro Kopf“ ergibt sich für Bochum kein Mehrbedarf an neuen Wohnungen. Einzig aus dem Ersatzbedarf ergibt sich nach diesem Gutachten ein Mehrbedarf für Bochum. Das IW geht dabei von einer Quote von 0,17% des Wohnungsbestandes aus.
Nach den Zahlen des Bauministeriums gibt es in Bochum einen Leerstand von 4%. Dies beinhaltet allerdings die Wohnungen die sehr sanierungsbedürftig sind.
Gerade diese Wohnungen liegen oft in gut integrierten Lagen, in der Nähe von vorhandener Infrastruktur (Stadtteilzentren). Hier besteht, nach Auffassung der Grünen, vordringlicher Handlungsbedarf.
Die Anfrage zum Download: